Ein ehemaliger Geflüchteter zieht Bilanz

Unser Kollege Osman Getahun im großen Interview über seinen Weg zu Elkamet

„Wir schaffen das“ – 2015 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen Satz in der Öffentlichkeit positioniert. Daraufhin hat ganz Deutschland, wie auch wir in Hessen, vielen geflüchteten Menschen eine neue Heimat gegeben. Über die vergangenen Jahre kann man zwar viele Zahlen und Fakten nachlesen, aber wie geht es den Menschen hinter den Daten wirklich? Wir haben nachgefragt bei unserem Kollegen Osman Getahun, ehemaliger Geflüchteter aus Eritrea. Jetzt festangestellter Mitarbeiter bei Elkamet.  Wie gut hat die Integration in das fremde Land funktioniert? Welche Hindernisse hattest du auf deinem Weg?

 

Osman lebt seit sechs Jahren hier in Deutschland. Im August 2014 hat er im Alter von 23 seine Heimat Eritrea, im nordöstlichen Afrika am Roten Meer, verlassen. Er erzählt uns, warum er seine Familie dort zurücklassen musste und alleine aus seiner Heimat geflohen ist: „Ich wollte in Eritrea nicht lebenslang als Soldat dienen und dem unbefristeten Wehrdienst entkommen, der staatlicher Zwangsarbeit gleichkommt. Wir werden dort nicht nur in militärischen Aufgabengebieten eingesetzt, sondern müssen auch Tätigkeiten in der Landwirtschaft oder Bauarbeiten übernehmen, wenn kein Krieg ist.“

 

Sein Weg in eine bessere Zukunft führte ihn von Eritrea in den Sudan. Von dort durch die Sahara nach Libyen, in insgesamt 11 Tagen. Er berichtet ernst von einer Zeit, in der ihm kaum Trinkwasser zur Verfügung stand. Jedoch war der Wunsch nach einer besseren Zukunft mit Bildungsmöglichkeiten für ihn ein großer Antrieb. „Wenn du einmal losgehst hast du keine andere Option, als dein Ziel zu erfüllen und nach Europa zu kommen" erklärt Osman. „Du kannst dort nicht deinen Traum erfüllen – hier schon!“

 

Von Libyen überquerte er mit einem Schiff das Mittelmeer und kam nach Europa. Zunächst wird Osman in Italien und dann in der Schweiz aufgenommen, bevor er sein Ziel Deutschland erreichte. Im hessischen Gießen angekommen ist er bemüht, sich schnell in der unbekannten Umgebung zu integrieren: „Ich hatte immer den Anspruch schlagfertig zu sein, mich hier schnell zurechtzufinden und deshalb die Sprache schnell zu lernen“.

 

In Marburg besuchte er zunächst eine Sprachschule, die er mit einem Deutsch-Test auf B1 Niveau abschloss. Mit ersten grundlegenden Sprachkenntnissen bewarb er sich 2017 für einen Ausbildungsplatz bei Elkamet, die er rückblickend erfolgreich abschließen konnte. Nach seiner Ausbildung wurde der angehende Verfahrensmechaniker in der Firma übernommen. Als frischer Auszubildender bei Elkame bekam er einen Platz im neu renovierten Elkamet-Wohnhaus, das extra für Auszubildende, Studierende und Angestellte angeboten wird. Hier hat er über eineinhalb Jahre mit jungen Menschen aus Südamerika, Afrika und Deutschland in einer Wohngemeinschaft zusammengelebt und Unterstützung in der Gemeinschaft gefunden. Die „WG“ als erste Anlaufstelle in Biedenkopf hat ihm zu Beginn sehr bei der Integration geholfen: „Der Anfang in einer fremden und neuen Stadt war schwer, besonders die ersten Monate“ berichtet Osman und freut sich: „aber hier bin ich aufgenommen worden. Im Elkamet-Wohnhaus haben sich Freundschaften über die Kulturen hinweg gefunden. Speziell beim gemeinsamen Kochen zusammen – Essen verbindet.“

 

Speziell beim Lernen der anspruchsvollen Sprache fanden die WG-Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gegenseitiges Verständnis und Hilfe. „Das Leben ist eigentlich zu kurz, um Deutsch zu lernen“, entscheidet Osman mit einem Zwinkern. Um die Mitarbeitenden bei Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache zu unterstützen, bietet Elkamet einen eigenen Deutschkurs im Unternehmen an. Hier sollen die Auszubildenden neben der Schule zusätzlich gefördert werden. Im Rahmen des Kurses können beispielsweise Schulaufgaben wiederholt und zusammen gelöst werden. So möchte Elkamet von Anfang an dabei helfen, dass junge Menschen durch das Erlernen der Sprache schnell sozialen Anschluss finden. Bei Osman ist diese Unterstützung angekommen. „Ich bin dankbar für die Hilfe die ich hier von Anfang an bekommen habe. Besonders bei meinen AusbildernRalf Schmidt und Siegbert Weigel möchte ich mich bedanken. Die haben mich immer unterstützt und sich viel Mühe mit mir gegeben. Was die zwei machen ist Wahnsinn!“, erklärt Osman.

 

In seiner neuen Heimat ist unser junger Kollege angekommen. Er ist glücklich mit seinem Entschluss nach Deutschland gekommen zu sein, auch wenn der Weg dorthin nicht leicht war. „Es war am Anfang schwer alleine zu gehen und seine Familie zurückzulassen." Die Entscheidung zu gehen, so resümiert er, war für ihn dennoch die Richtige. Im mittelhessischen Hinterland fühlt er sich mittlerweile Zuhause. Wie er Deutschland jetzt mit wenigen Worten beschreiben soll, fällt ihm schwer und er lacht: „In Eritrea nimmt man Deutschland als starkes Industrieland wahr. Hier sagt man, es ist besser ein Fahrrad aus Deutschland zu kaufen als ein Auto aus China“. Umso stolzer ist er darauf, jetzt seine Ausbildung abgeschlossen und einen Beruf erlernt zu haben. Maßgebliche Unterschiede in den Kulturen sieht er nicht, nur eines sei in Deutschland auffällig: „Deutsche sind pünktlich, haben zugleich aber keine Zeit, miteinander zu reden.“

 

 

Abschließend fragen wir ihn, ob er glaubt, dass es Deutschland wirklich geschafft hat Menschen erfolgreich zu integrieren. Nach kurzem Überlegen sagt er schließlich entschlossen: „Deutschland schafft noch mehr!" Er sei überzeugt davon, dass durch die vielen Möglichkeiten, die im Land geboten werden, jede und jeder die Chance hat eine Ausbildung und einen Beruf erlernen zu können. Osman hat es geschafft, er lebt in Deutschland und fühlt sich sichtlich wohl. Seit Anfang letzten Jahres hat er eine eigene Wohnung in Biedenkopf. Er ist fester Bestandteil unseres Elkamet-Teams am Standort Dautphetal-Friedensdorf: „Hier bin ich angekommen!“, berichtet er und lacht.